Liebe Lea, woher kommst du?
Mit fünf Jahren hielt ich das erste Mal eine Geige in der Hand. Und zwar am Tag der offenen Tür unserer Musikschule. Es hat mir sofort den Ärmel reingezogen. Ich wollte dieses Instrument unbedingt spielen lernen. Dass daraus eine grosse Leidenschaft wird, wusste ich damals noch nicht. Diese Zielstrebigkeit habe ich wahrscheinlich von meinem Vater. Wenn er auf einen Berggipfel will, dann setzt er das gleich um. Zuerst spielte ich in Jugendorchestern, später dann im Stadtorchester Grenchen. Mit 15 Jahren eröffnete ich meinen Eltern, dass ich ein Austauschjahr in den USA machen möchte. Und schon einige Monate später stand ich mit Sack und Pack – und natürlich meiner Geige – am Flughafen Zürich.
In Pittsford, einer Kleinstadt nicht weit vom Ontario-See, habe ich meinen Traum von einem High-School-Jahr in den USA verwirklicht. Noch heute pflege ich Kontakt mit zwei Spanierinnen, die an derselben Schule Austauschschülerinnen waren. Obwohl Amerika für die grosse Freiheit steht, erlebte ich eher das Gegenteil. Durch die starke Abhängigkeit vom Auto fühlte ich mich – ohne Führerschein – viel eingeschränkter als in der Schweiz. Für jede kleinste Besorgung war ich auf den Fahrdienst meiner Gastfamilie angewiesen. Doch das Positive hat weitaus überwogen. Am liebsten wäre ich noch länger geblieben. Die Rückkehr in die Schweiz und das Einleben zurück im «Gymer» waren schwer. Mein Rucksack war voll bepackt mit tollen Erfahrungen und in meiner alten Welt war irgendwie alles stehengeblieben.
Wo stehst du im Moment?
Als Kind wollte ich wie meine Mutter Lehrerin werden. Denn ich bin in einer grossen Familie aufgewachsen und habe ab und zu auf meine drei jüngeren Geschwister aufgepasst. Später habe ich erkannt, dass ich nicht den ganzen Tag mit Kindern arbeiten möchte. Da ich Menschen und Sprachen mag, studierte ich an der Uni Fribourg Kommunikation und BWL. Mit dem billingualen Studiengang war auch meine Neugierde für ein Austauschsemester in Paris geweckt. Im Herbst 2020, kurz vor einem erneuten Lockdown, packte ich meine Koffer wiederum für eine längere Zeit.
Ich kam im Pavillon Suisse von Le Corbusier in der Cité Internationale Universitaire de Paris unter. In dieser Studentensiedlung gibt es auf einem lang gestreckten Parkgelände Häuser für 10 000 Studierende. Corona hat uns dann einen Strich durch die Rechnung gemacht. Einen Monat lang waren wir im Lockdown und durften das Haus nur mit Ausgehgenehmigung in einem Umkreis von 3 Kilometern verlassen.
Wo gehst du hin?
Aktuell befinde mich in einem 18-monatigen Traineeprogramm für Uniabgänger bei der Post. Ich sammle Erfahrungen in der Kommunikation und im Marketing und habe die Möglichkeit, noch in weitere Bereiche hineinzublicken, was mir sehr gefällt. Ich bin offen für Neues und möchte noch viel mehr von dieser Welt sehen. Vorerst bin ich aber sesshaft geworden und geniesse meine erste eigene Wohnung, die ich kürzlich mit meinem Freund in Bern bezogen habe. Und wer weiss, vielleicht finde ich hier bald ein cooles Orchester, damit ich wieder regelmässig Geige spielen kann.